Mehr über Gerhard Ruland:

Zuletzt von jedem Glück verlassen

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Gerhard Ruland wurde am 30. August 1906 als Sohn von Joseph Ruland und Gertrud, geborene Willems, in der Kapellenstraße 24 in Euskirchen geboren. Gerhard hatte noch vier weitere Geschwister und machte eine Lehre als Mechaniker. Sein Vater starb, als er 17 Jahre alt war. Die Familie war – wie 92 Prozent der Bevölkerung – katholisch.

Das „sterbende Eck“ des Deutschen Reiches als Folge des Ersten Weltkrieges lag in der 3. Zone der Rheinlandbesetzung durch die französischen Truppen. Diese war als „Bürgschaft“ gedacht, bis die die dritte Rate der Kriegsreparationen vom Deutschen Reich bezahlt war. Der Abzug der letzten Besatzungstruppen 1930 fiel mitten in die Weltwirtschaftskrise und machte eine wirtschaftliche Erholung schwierig. Der wichtigste Industriezweig im ländlich geprägten Kreis Euskirchen war die Textilindustrie. Sie litt unter der Weltwirtschaftskrise stark, weil den Menschen das Geld für Konsumgüter fehlte. 1929 fanden dort nur noch 690 Menschen Arbeit. In der Kreisstadt selbst waren eine Zuckerfabrik und ein Werk, das Steingut und Schamotte herstellte, die größten Betriebe. Erst ab 1934/35 stieg die Nachfrage wieder. Nun waren Uniformjacken für die Naziorganisationen und die Wehrmacht gefragt.

Mitte August 1929 zog Ruland nach Königswinter, kehrte aber Mitte Januar 1930 nach Euskirchen zurück. 1932 zog er in Euskirchen dreimal um, Ende 1933 und im Herbst 1935 erneut und 1937 im Februar und im Oktober. Ende Dezember 1934 heiratete Gerhard Ruland die zehn Jahre ältere Helena, geb. Öffner, deren erste Ehe im Frühjahr 1934 geschieden worden war. Als Beruf wurde in der Heiratsurkunde von Gerhard Ruhland „Kraftwagenführer“ vermerkt. Das Ehepaar hatte keine Kinder.

Im Sommer 1938 tauchte in den KZs eine bis dahin unbekannte Häftlingsgruppe auf: sogenannte „Asoziale“, die keine homogene Gruppe bildeten. Gemeinsam war ihnen die Zuschreibung „arbeitsscheu“. Die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ (ASR) wurde seit Anfang 1938 durch den persönlichen Stab von Heinrich Himmler geplant, dem Reichsführer der SS. Am 26. Januar 1938 ordnete Himmler an, die Festnahme aller arbeitsfähigen Männer vorzubereiten, „… die nachweisbar in zwei Fällen die ihnen angebotenen Arbeitsplätze ohne berechtigten Grund abgelehnt oder die Arbeit zwar aufgenommen, aber nach kurzer Zeit ohne stichhaltigen Grund wieder aufgegeben haben.“Mit einem „…einmaligen, umfassenden und überraschenden Zugriff“ sollte die Aktion ablaufen. Nach einer ersten Aktion im Frühjahr 1938 durch die Gestapo sollten Mitte/Ende Juni 1938 nun durch die Kriminalpolizei in jedem Kriminalpolizei-Leitstellen-Bezirk 200 männliche arbeitsfähige Personen in Vorbeugehaft genommen werden. Der Kreis der Verhafteten wurde dabei erstmals auf Juden ausgedehnt.

Am 2. Juli 1938 um 2 Uhr wurde Gerhard Ruland im Rahmen dieser „Aktion Arbeitsscheu Reich“ mit der Häftlingsnummer 7748 in den Block 29 des erst ein Jahr zuvor errichteten Konzentrationslagers Buchenwald eingeliefert. Auch andere „ASR“-Häftlinge, die am 2. Juli 1938 in Buchenwald ankamen und eine Nummer nahe der Haftnummer 7748 erhielten, kamen aus Euskirchen, bei manchen von ihnen findet sich in den Dokumenten der Hinweis auf die Kriminalpolizei Euskirchen als einweisenden Dienststelle. Rulands Effektenkarte weist als persönliche Habe „1 Paar Schuhe, 1 Paar Strümpfe, 1 Rock, 1 Hose, 2 Hemd, 1 Binder, 1 Paar Sockenhalter, 1 Kamm” aus. Die Umstände dieser Verhaftung sind nicht bekannt. Gerhard Ruland wurde dem „Arbeitskommando SS-Siedlung“ zugeteilt, das als Bautruppe die Errichtung der Wohnhäuser der SS-Unterführer in ca. sechs Kilometer Entfernung vom eigentlichen Lager, beauftragt war. Auch die Lagerärzte, die Führer der Wachmannschaften und der KZ-Verwaltung wohnten später dort.

Am 3. Dezember 1938, 10 Uhr wurde er mit einer Reihe anderer Häftlinge aus dem KZ Buchenwald wieder entlassen. Die Entlassungskarte vermerkt nun als Beruf Automonteur.


Am 22. August 1940 wurde Gerhard Ruland zur Fliegerhorst-Kompanie Halberstadt eingezogen. Er hatte den Dienstgrad Flieger. Als seine letzte Einheit ist Fernsprech-Kompanie des XI. Flieger-Korps registriert. Das Feldgericht des Kommandierenden Generals und Befehlshaber im Luftgau V in Stuttgart verurteilte ihn zum Tode und vollzog das Urteil am 4. Januar 1945 um 8 Uhr. Das Kriegsgerichtsurteil liegt nicht vor. Er wurde am selben Tag in Ludwigsburg beerdigt. In der Familie galt er als „vermisst“..

Quellen:


BArch-PA B 563 -1 Kartei Signatur 1507/369
StA Euskirchen GR Eu, 276, 1906

StA Euskirchen HR Eu, 168, 1934

StA LB L 67 Bü. 39 und 41

StaatsA LB EL 20/1 VI Bü 165

Ayaß, Wolfgang: Asoziale“ im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995


Geschichtsverein des Kreises Euskirchen e.V.: Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen, Bde. 1+2, Euskirchen 2007


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